Berlin

100 Jahre Hildegard Knef: Hier erinnert sich ihr Visagist

28. Dezember 2025 , 04:30 Uhr

Mit Gesichtsmaske lag sie oft da, eine Zigarette in der Hand: Hildegard Knef wäre heute 100 Jahre alt geworden. Ihr Visagist erzählt, was er an ihr liebte und dass sie auch stechen konnte.

Wenn Hildegard Knef, diese große Künstlerin, ihrem Visagisten schrieb, dann ging das so. «Geliebter René, Mama braucht…». Keine nüchterne Bitte um Ausstattung oder Kosmetikbehandlung, sondern kleine Miniaturen voller Witz und Selbstironie. «Kannst du morgen kommen? Haut und Seele hätten’s nötig.» René Koch vermisst diese Nachrichten bis heute.

Am heutigen Sonntag wäre Hildegard Knef 100 Jahre alt geworden. Als Schauspielerin, Sängerin und Autorin prägte sie das Nachkriegsdeutschland und blieb eigensinnig.

Eine Frau mit rauchiger Stimme, klugen Texten und dunkel geschminkten Augen. «Wenn sie die Wimpern dran hatte, dann war sie schon Diva», erinnert sich ihr früherer Visagist Koch. Am meisten fasziniert habe ihn ihr Humor. Sie habe sich trotz Widrigkeiten im Leben nicht unterkriegen lassen.

Mit Liedern wie «Für mich soll’s rote Rosen regnen», «Im 80. Stockwerk» und «Von nun an ging’s bergab» wurde Knef zur Chansonikone. Ihr Lied «Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen» ist eine Hymne auf eine komplizierte Stadt.

Wenn der Skorpion zustach

Geboren wurde sie am 28. Dezember 1925 in Ulm. Knef drehte mit «Die Mörder sind unter uns» (1946) den ersten deutschen Nachkriegsspielfilm und übernahm nach einem erfolglosen Versuch in Hollywood die Titelrolle im Film «Die Sünderin» (1951). Der zeigte eine Nacktszene und löste wegen seines Themas einen Skandal aus. Sie spielte am Broadway, schrieb eigene Liedtexte und war auch als Buchautorin erfolgreich («Der geschenkte Gaul»). Gemalt hat sie auch. Sie erlebte Krankheiten, Tablettenabhängigkeit und drei Ehen.

Für Koch war sie modern, emanzipiert und ehrlich – diese Ehrlichkeit habe ihr manchmal auch geschadet, erzählt er. Für ihn gab es zwei Versionen von ihr – die mütterliche Hilde und die öffentlich auftretende Diva. Knef sei ein typischer Steinbock gewesen, sagt Koch, «Aszendent Skorpion» – und «wenn der kam, hat sie auch gestochen». Er habe aber gut mit ihr umgehen können.

Ihre Ehrlichkeit konnte man auch in Interviews beobachten. Da sprach sie offen über Misserfolge und sagte schlaue Dinge, wie man im Dokumentarfilm «Hildegard Knef – Ich will alles» sehen kann, den die ARD zeigt.

«Es ist nun mal ein unordentliches Leben»

Als sich ein Fernsehreporter an einer Charakterisierung von ihr versuchte (sie sei angeblich «naiv-vertrauend», trotzdem berechnend, «trotzig-unabhängig», aber anlehnungsbedürftig), antwortete sie: «Sie machen aus mir 24 Personen auf einmal.» Und nahm sich eine Zigarette.

Natürlich mache der Mensch viel Veränderung durch, sagte Knef dann weiter. Die Veränderung, die Veränderlichkeit sei das Beständigste in unseren Leben. «Es ist nun mal ein unordentliches Leben.» Das gelte für jedes Leben. Selbst wenn man versuche, es sehr ordentlich zu gestalten.

Das Glück kennt nur Minuten

Wann sie glücklich gewesen sei? «Also richtig glücklich? Was ist glücklich?», entgegnet Koch. Knef habe ja selbst geschrieben: «Das Glück kennt nur Minuten, der Rest ist Warteraum». Wenn ihre Tochter da gewesen sei, sei sie wie jede Mama sicher glücklich gewesen. Das Interessante an Knef sei, dass sie nie gejammert habe. «Sie war ein Steh-Auf-Frauchen.»

«Ich habe mit ihr mehr gelacht als geweint», sagt Koch, der in einer Altbauwohnung im Westen Berlins heute viele Erinnerungsstücke ausstellt. Wenn sie mal einen schlechten Tag gehabt habe, dann habe er sie mit seiner Ente abgeholt und sie seien zum KaDeWe gefahren oder ins Hutgeschäft.

Lieber eine Stange Zigaretten

Wenn man ihr etwas habe schenken wollen, habe man ihr mit drei Dingen eine Freude machen können. Es seien nicht die roten Rosen gewesen, wie die Fans immer gedacht hätten, erzählt Koch. «Nein. Eine Stange Marlboro, eine Flasche Champagner – Dom Pérignon, und eine Schüssel Kaviar, russisch.» Er habe ihr auch Kosmetiksachen oder Kleider mitgebracht.

Als sich die Zeiten und die Mode änderten, habe er ihr mal geraten, beim Make-up weniger zu machen. Sie habe die Wimpern aber behalten wollen – und im Nachhinein sei das gut gewesen, räumt Koch ein. «Wir reden heute noch von den Wimpern und es war doch richtig, dass sie sie nicht abgelegt hat.»

Die legendären künstlichen Wimpern

Ein Paar ihrer Wimpern liegt heute in der Vitrine. Damals konnte man nicht einfach in der Drogerie magnetische Wimpern kaufen oder Contouring-Videos auf Tiktok gucken. Den Kleber habe er damals noch in Hollywood bestellen müssen, erzählt Koch, der die Knef auch mal liebevoll «Ida Putenschlund» nannte, wenn sie noch verknittert im Bett lag.

Er habe sich mal einen Ohrring von ihr geliehen und vergessen ihn zurückzugeben, erzählt Koch. Sie schrieb ihm: «Du hast meinen goldenen Ohrring. Nicht, dass ich ihn dir nicht gönne. Doch leih ihn mir mal für einen Abend aus. Deine Ida Putenschlund.» Die beiden kannten sich seit den 1970ern, mehr als zwei Jahrzehnte.

Knef starb am 1. Februar 2002 im Alter von 76 Jahren. Ihr Leben wurde mit Heike Makatsch verfilmt und als Graphic Novel erzählt. Ob sie erwartet hätte, dass ihre Erinnerungsstücke mal bei Koch ausgestellt werden? Er glaube, sie sei ein Mensch gewesen, der im Moment gelebt habe, sagt Koch. «Das war für sie immer das Schönste, der Moment.»

Quelle: dpa

 

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